Campingbusse im Vergleich

Bulliparade - Campingbusse mit Hochstelldach
Spontan und flexibel unterwegs mit dem Campingbus. Fünf Modelle wurde in unserem Test hinsichtlich Ihrer Vor- und Nachteile verglichen.
So fing es doch in den 50ern an, oder? Ab nach Grado oder Jesolo, übernachten im VW Bus, mit etwas mehr Taschengeld im Westfalia Bulli (heute ein fast unbezahlbarer Klassiker), mit Ford Transit Nugget, Mercedes- Benz Marco Polo, VW California Coast (er trägt ja die Gene des Urahns in sich), Womondo Wave und Pössl Campster geht das heute ökonomischer, komfortabler und pfiffiger – den modernen Konstruktions- und Fertigungsmethoden sei Dank.

Nun ringen doch wirklich der in vierter Generation gebaute VW California und der nicht minder bekannte Mercedes Marco Polo um die Siegeslorbeeren. Beide punkten zwar nicht mit dem günstigsten Anschaffungspreis, denn wer hier alle Extras ordert muss über eine dicke Börse verfügen. Dafür klappt die An- und Abreise schon einmal besser als bei den
anderen Kandidaten. Antrieb und Fahrwerke von VW und Mercedes sind eben auch mehr Geld wert. Wobei der Mercedes den überzeugenderen Antrieb, der VW das souveränere Fahrwerk zu bieten hat.

Die Fahrgestelle von Ford, Opel und Citroën bieten zwar wenig Anlass zu Kritik, die Nutzfahrzeugbasis lässt sich aber nicht verhehlen. Ausweichen und Bremsen kann einem im Ernstfall trotz ESP die Schweißperlen auf die Stirn treiben. Immerhin wurde ganz beiläufig klar, welchen Einfluss die Bereifung auf das Fahrverhalten hat. Auf harte Transporter- oder Ganzjahresreifen sollte man verzichten und hier lieber ein wenig in softe Breitreifen investieren.

Die Innenraumgestaltung scheint bei VW und Mercedes auf Pkw-Niveau und setzt sich deutlich vom Transportercharme der anderen Kandidaten ab, die mit pflegeleichten, robusten Hartplastikoberflächen immerhin praktisch sind. Die Gestaltung der Möbel zeugt bei VW, Mercedes und Pössl von einer Menge Erfahrung, obwohl man bei allen über die Vordersitze auf die Hochbetten klettern muss, welche bei VW mit Lattenrost, bei Pössl mit Tellerfedern und beim Marco Polo sogar mit beidem ausgestattet sind.

Die Hochstelldächer 
sind aber kinderleicht und verlässlich zu bedienen, beim Marco Polo kann es gegen Gebühr auch auf Knopfdruck gehen. Beim Ford Nugget klappt das Hochdach von hinten auf, zum Nächtigen klettert man dank einer Leiter über die Heckklappe und die Spüle ins, auf Lattenrosten und Tellerfedern ruhende, Bett. Nur der Womondo scheint beim oberen B(r)ett nur Kinder als Publikum im Visier zu haben, 170 Zentimeter Matratzen-Länge ohne Hinterlüftung weckt Gefühle fast wie im Bully von seinerzeit. Die unteren Betten entfalten sich aus der hinteren Sitzbank meist zu einer 110 Zentimer breiten Liegefläche, Pärchen lernen sich hier noch besser kennen, beim Ford stehen immerhin 125 Zentimer Breite zur Verfügung.

Verdunkelte 
Seitenscheiben haben alle Kandidaten. Nur der VW verfügt über Rollos rundum und sorgt so für echte Privatsphäre. Auf Letztere muss bei der Körperpflege verzichtet werden, denn Nasszellen gehen sich bei den kompakten Außenmaßen naturgemäß bei allen fünf nicht aus. Immerhin verfügen die Busse aber über kleine Küchenzeilen. Und jene von Pössl besticht durch ihre Flexibilität. Sie kann funktionstüchtig demontiert werden, gelangt so in den Außeneinsatz, bleibt zu Hause oder kann sogar unabhängig vom Auto beim Grillfest im Garten aushelfen. Der Pössl bietet so auch noch die beste Alltagstauglichkeit aller Kandidaten. Der Transit Nugget scheint mit seiner Laderaum verzehrenden Heckküche in L-Form für mobile Kochshows wie geschaffen, im Mercedes steht eine Luxus-Rauchglas- Zeile wie bei Jamie Oliver und die Küchenzeile von VW bietet einen pfiffigen Klapptisch als erweiterte Arbeitsfläche. Nur der Womondo verfügt zwar über eine nette Kombination aus Spüle und Kühlschublade, fällt aber wieder negativ auf, weil derGaskocher nur als loses Zubehörteil beiliegt.

Immerhin 
Zähneputzen und Katzenwäsche geht bei allen, der Transit hat sogar eine Chemietoilette an Bord, die müsste man bei den anderen Kandidaten
extra verstauen. Die Speisen auch im Trockenen zu verzehren, fällt zu zweit in allen Bussen leicht, zu viert sitzt man nur im Ford angemessen, dafür wackelt der Tisch ein wenig. Die anderen Kandidaten schwächeln hier, beim VW muss man beim Drehen der Sitze vorsichtig sein, Lenkrad und Tür streifen hier immer. Der Fahrersitz des Womondo ist erst gar nicht drehbar.

In punkto Gefälligkeit 
und Verarbeitung des gesamten Innenraumes liegt der Mercedes Marco Polo voran, Laden mit Soft Close Funktion, automatische Beleuchtung, saubere Kanten und Oberflächen, VW kann hier noch mithalten, die anderen Kandidaten lassen etwas Federn, auch wenn alles funktioniert und nichts bei der Fahrt klappert.

Stellt sich also die Frage, ob sich eine Investition von bis zu 70 Tausendern für ein „Noch-nicht- Wohnmobil“ lohnt. Kommt auf den Standpunkt
an: Wer wirklich im Auto wohnen will, kriegt ums gleiche Geld schon teilintegrierte Wohnmobile, die aber außerhalb der Reisezeit nur herumstehen. Diese Busse können immerhin ein Alltagsauto ersetzen, sie sind groß aber nicht zu groß, passen noch in Garagen und dürfen überall parken. Wer also öfters Kurztrips unternimmt oder Veranstaltungen an Orten besucht, wo kein Quartier mehr zu bekommen ist, der liegt hier richtig. Der Pössl Campster schafft den Spagat Alltag und campen am besten, Mercedes und VW befriedigen den gehobenen Bedarf, der Transit Nugget ist am ehesten der Camper und bei Womondo sollte man sich auch den gleichteuren Primo mit Hochdach ansehen, er ist zwar größer kann aber vieles besser als der Wave.

Die Vielfalt täuscht übrigens, bis 2004 wären wohl alle Kandidaten von Westfalia gekommen, seither baut Autovision alle California-Modelle für VW. Marco Polo und Nugget werden immer noch von Westfalia gebaut, Pössl lässt bei Dethleffs bauen und das Start-up Womondo versucht (made in Slovenija) mit Opel im Rücken aus eigener Kraft gegen das Establishment anzukommen.

Von Steffan Kerbl
Fotos: ADAC


Stand der Informationen: 08.10.2018

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